Schriftsteller

Sommer 1920

Als Serners erste eigenständige literarische Buchveröffentlichung erscheint im Paul Steegemann Verlag Hannover als 62.-64. Band der "radikalen Bücherreihe" Die Silbergäule das dadaistische Manifest "Letzte Lockerung", das Anton von Hoboken gewidmet ist (späterer Freund von Marietta; vielleicht einer von Serners Förderern), hier ein Bild mit Bauchbinde

Oktober 1920

Serner trifft in Paris ein, wo Tristan Tzaras "Mouvement Dada" bereits seit mehreren Monaten neue Erfolge feiert; Serner besucht Christian Schad in Neapel; im November 1920 überwirft sich Serner mit Tzara und zieht sich von der Dada-Bewegung zurück

Dezember 1920/Anfang 1921

Im Verlag Paul Steegemann/Hannover erscheint als zweites Buch Serners eine Sammlung von 33 Kurzgeschichten unter dem Titel "Zum blauen Affen. 33 hanebüchene Geschichten" in einer Auflage von 1.000 Stück (Die Silbergäule Nr. 91-98); es ist gewidmet "Marietta! Marietta!! Marietta!!!"; das Buch erregt Aufsehen, wird positiv besprochen und ist nach kurzer Zeit vergriffen, so dass 1923 bereits die 2. Auflage (2. bis 6. Tausend) erscheint


Letzte Lockerung 1920

Februar 1921

Serner verlässt Paris und fährt nach Neapel zu Schad; im April bricht er von dort nach Deutschland auf, wo er sechs Jahre nicht war; etwas später trifft er in Frankfurt/Main Schad, fährt nach Hannover zu Paul Steegemann (Foto unten, wohl 1924) und dann weiter nach Berlin; 1921 schreibt Serner auch seine erst 1925 veröffentlichte Novelle "Die Tigerin" 

Februar 1922

Serner verbringt mehrere Wochen in Dresden und kommt später nach München, wo er Christian Schad trifft; beide machen Urlaub am Tegernsee; anschließend bricht Serner zu Reisen durch Europa auf

August 1922

Serner liefert bei Steegemann ein Manuskript mit weiteren kurzen Kriminalgeschichten ("Der elfte Finger") ab

Frühjahr 1923

Bei Paul Steegemann erscheinen in der beginnenden Inflationszeit 25 Kriminalgeschichten unter dem Titel "Der elfte Finger" sowie die 2. Auflage des Buchs "Zum blauen Affen", beide mit Umschlägen von Touluse-Lautrec und jeweils in einer (angegebenen) Auflage von 5.000; das Presseecho ist zurückhaltend, der Absatz ist gering (noch 1933 hat Steegemann Vorräte in Höhe von jeweils ca. 3.000 Bänden von beiden Auflagen; ein Teil der Auflagen wird 1927 aufgebunden in rotem Leinen und als Neuausgabe, auch im Rahmen einer Kassette, verkauft)

Zum Blauen Affen 1923

1923

Serner ist - wie 1922 - viel unterwegs; vom 10.3. bis 23.3. ist er in Wien gemeldet (Pension Vienna, Frankengasse 6) und meldet sich nach Frankfurt/Main ab, das er als ordentlicher Wohnsitz angibt; seit April ist er wieder in Paris und wohnt im Hotel de la Paix in der Rue Lécluse; Kontakte zu Francis Picabia; im Juli ist Serner in Österreich (Innsbruck)

1924

Im Adressbuch von Karlsbad ist Serner unter Villa Johore, Richard-Wagner-Str. 26, verzeichnet; Serner trennt sich von seinem Verleger Paul Steegemann und wechselt zum 1923 gegründeten Berliner Verlag Elena Gottschalk, einem linksorientierten Verlag, der sich der "jungen Dichtung" annimmt (etwa Otto Flake, Myona, Walter Mehring); im November 1924 schreibt Serner aus Florenz an Picabia

Anfang 1925

Im Berliner Elena Gottschalk Verlag erscheinen in einer Auflage von jeweils 3.000 und mit Umschlagzeichnungen von Hans Bellmer die beiden Bücher "Die Tigerin. Eine absonderliche Liebesgeschichte" und "Der Pfiff um die Ecke. Zweiundzwanzig Spitzel- und Detektivgeschichten", letzteres als 4. Band der Reihe "Die tollen Bücher", gewidmet der späteren Frau Serners "Dorothée" (Dorothea) Herz


Mehr zu Dorothea Serner

1925

Beide neuen Veröffentlichungen finden ein positives Presseecho und verkaufen sich gut (bis Mai 1927 über 2/3 der jeweiligen Auflage); die "Tollen Bücher" werden allerdings in Teilen Deutschlands wegen Gefährdung der Sittlichkeit vorübergehend beschlagnahmt; der Elena Gottschalk Verlag muss Konkurs anmelden; Serner hält sich u. a. (wohl) in Zürich, Barcelona und Berlin auf (am 12.2.1925 wird ihm in Zürich ein tschechischer Pass ausgestellt, am 10.3.1925 lädt der Verein der Freunde und Förderer des Gottschalk Verlages zu einer "Tollen Nacht" ein, in der auch "Walter Serner (Barcelona)" auftreten soll)

6.4.1925

Serners Vater stirbt in Karlsbad, der jüngere Bruder Lothar übernimmt die Druckerei

10.5.1925

Im Prager Tageblatt erscheint ein (später verhängnisvoller) lobender Artikel über Serner von Theodor Lessing "Der Maupassant der Kriminalistik". Dort wird als Auskunft des Verlegers Paul Steegemann u. a. über Serner zitiert: "Seine Adresse werden sie nicht in Literaturkalendern, wohl aber bei der Kriminalpolizei erfahren können. Er ist internationaler Hochstapler im allergrößten Stil. Seine Lehrjahre verlebte er in Paris als Costel (Zuhälter). In seinen Büchern steht nichts, was nicht gelebt wurde. Sie können dies alles ruhig sagen. Herr Serner pfeift darauf. Er bereist gegenwärtig den Orient als Besitzer großer öffentlicher Häuser in Argentinien. " Nichts davon ist wahr, sondern alles von Steegemann frei erfunden, der schon früher für Serners Werke mit dem Begriff "Hochstapler" geworden hat (etwa für die "Letzte Lockerung" als "Handbrevier für Hochstapler und solche, die es werden sollen); diese Mitteilung prägt die Serner-Wahrnehmung der nächsten Jahre; kurze Zeit später erscheint zwar Serners korrigierende (weitgehend unbeachtete) Selbstdarstellung "Ich...", aber die deutschnationale Presse hetzt unter Hinweis auf Lessings Artikel unverhohlen antisemitisch gegen Lessing und Serner


8.7.1925

Im "Völkischen Beobachter" erscheint der Hetz-Artikel des NS-Chef-Ideologen Alfred Rosenberg "Professor und Mädchenhändler. Professor Lessing als Bewunderer eines Bordellpoeten", in dem die Mitteilung des Verlegers Steegemann über Serners Lebenswandel im Wortlaut zitiert wird und in dem es u.a. heißt: " Leben heißt dem Juden: Moder schaffen und als Wurm in ihm wirken"; so wird der Grundstein der späteren Ermordung von Theodor Lessing gelegt (er wurde von nationalsozialistischen Attentätern am 30.8.1933 in Marienbad/Tschechien niedergeschossen und gilt als erstes Opfer des Nationalsozialismus auf tschechischem Boden)

3.6.1926

Serner trifft aus Lyon kommend in Montreux ein, wo er im Hotel de la Paix absteigt und die Niederschrift des weiteren Erzählungsbandes "Die tückische Straße" beendet; mit sich führt er das Manuskript des Theaterstücks "Posada"

Herbst/Winter 1926

Ende September 1926 reist Serner nach Basel und von dort nach Wien, wo er sich am 12.10. in der Pension Fischer (Garnisonsgasse 3) anmeldet; dort hatte er bereits 1909 gewohnt, als ordentlichen Wohnsitz gibt er Karlsbad an; in Wien leitet Serner auf eigene Faust den Privatdruck seiner beiden Texte "Posada oder Der grosse Coup im Hotel Ritz" und "Die tückische Straße. 19 Kriminal-Geschichten" ein, inseriert wird die Neuerscheinung Anfang Dezember im Karlsbader Tagblatt, der Vertreib erfolgt über ein Postfach in Bern mit dem Stempel "Dezember Verlag Wien"; am 22.10. meldet sich Serner aus Wien ab und hält sich am 22.12 in Bern auf



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